BISCAYA

Am 18.06. ist es endlich soweit. Der Wecker klingelt um 4.30 Uhr in der Früh, weil wir mit dem Ebbstrom Falmouth verlassen möchten. Müde räkeln wir uns im Bett und verlängern die Nacht um eine weitere halbe Stunde. Nach dem Frühstück nehmen wir das Segelkleid vom Groß und ziehen den Anker vor dem netten Ort. Der Wind weht zwar immer noch aus Südwest, soll aber auf West drehen. Noch im Hafenbecken heissen wir das Großsegel und laufen dann aus. Uns beiden ist etwas mulmig zumute, schließlich steht der bislang längste Törn unsere Segelkarriere an. Die Angst vor zuviel Wind in der Biscaya muß erst einmal überwunden werden. Auf den ersten Meilen fällt das zweite Magellan Hand GPS aus. Hätte ich doch etwas vernünftiges auf der Boot in Düsseldorf gekauft. Die Handhels sollten nur zur Reserve an Bord sein, Andrea benutzt sie aber gerne im Cockpit um Ihre Navigation zu überprüfen. Ärgerlich, dass wir das andere GPS erst letzte Woche aus Falmouth verschickt haben. Lang rollen die Atlantikwogen bei 18 Knoten Südwest unter dem Rumpf der Inspiration durch. England verschwindet am Horizont bei Kurs auf Brest. Hart am Wind bleibt das Deck nicht trocken, überall bilden sich Salzkrusten. Mit jedem Tag verfeinern wir die Segeltechnik. Heute gilt unser Stolz den 6 Knoten Geschwindigkeit, die bei der Welle und dem Kurs ganz gut sind. BBC 4 kündigte gestern Westwind an, leider setzt dieser erst 48 Meilen vor Brest ein, wo wir dann Kurs 210 Grad anlegen. Der Strom im Kanal war heftig, er versetzte uns bis zu 10 Seemeilen. Na ja, war aber nicht so tragisch weil uns der Strom 6 Stunden später in die andere Richtung versetzte. Heute hat die Windfahnensteuerung Premiere. Nach kurzem drehen an dem Stellrad steht der Windflügel meines Erachtens richtig. Den elektrischen Autopiloten ausschalten und das Schiff hält mit festgestelltem Ruder exakt den gewollten Kurs. Die teilweise recht hohen Wellen drücken den Bug immer wieder aus der Fahrtrichtung, ein kurzer Ausschlag des Windflügels folgt und der richtige Kurs wird wieder aufgenommen. Echt geil - ich bin von der 30 Jahre alten Erfindung total begeistert. Nach dem ausgiebigen Funktionstest in der Biscaya kann ich eine Windsteueranlage jedem Fahrtensegler wärmstens empfehlen. In der Vorbereitungsphase unserer Reise kaufte ich sehr viel Equipment und konnte mich zum damaligen Zeitpunkt nicht besonders über die vielen Neuanschaffungen freuen. Es waren einfach Notwendigkeiten. Jetzt im Gebrauch lernen wir jedes Teil kennen und schätzen.
> > Zum Abendbrot gab es Kartoffeln, Erbsen, Möhren und Hähnchen. Die Sonne ist im Grau der Wolken am Horizont verschwunden und Dämmerung setzt ein. Der Wind hat mittlerweile feste westliche Charaktere angenommen und weht mit 10 Knoten. Der Atlantik ist heute, abgesehen von der ein oder anderen langen Woge, mit der Nordsee bei 3 Windstärken zu vergleichen. Andrea liegt seit zwei Stunden im Salon mit der geliebten Wärmflasche an den Füßen. Das mulmige Gefühl hat nachgelassen. Mir bereitete nur der Anfang des Tages kleine Probleme, nach einigen Stunden auf See war ich im geliebten Element und genieße seitdem das lautlose Dahingleiten bei Schräglage. Stundenlang schauen wir auf das Meer, es wechselt von Minute zu Minute das Aussehen. Den ganzen Tag näherten sich lediglich 7 Berufsschiffe. Die Wasserfläche zeigt also schon in der Kanalausfahrt die unendliche Weite auf. Die Wachen an Deck erfolgen abwechselnd. Gegen 5 Uhr schläft der Wind ein, so dass wir mal wieder Motorsegeln. Meine Freiwache beginnt und sofort schlafe ich auf der Bank im Salon ein. Es ist noch furchtbar kalt. Mit langen Unterhosen und Fliespullis schützen wir uns im Juni gegen das Wetter. Mein Schlaf endet um 7.30 Uhr und Andrea wird abgelöst. Tee kochen, Frühstücken, waschen und rasieren. Die Wolken der Nacht sind verschwunden und ein aalglatter Atlantik mit langen Wogen begrüßt den neuen Tag. Wir fahren weit abseits der Dampferroute, um Kollisionen mit den Riesen zu vermeiden. Scheint heute endlich mal etwas wärmer zu werden, um 9.00 Uhr sitzen wir nur noch im Sweatshirt im Cockpit. Inspiration hebt und senkt den Bug sanft in den Wellen. Die Feuchtigkeit vom Deck trocknet unter den wärmenden Sonnenstrahlen schnell weg. Wir sind schon sehr gespannt, wann die ersten Delphine auftauchen werden. Um 14.00 Uhr UTC des heutigen Tages haben wir es endlich geschafft, Inspiration in einem feierlichen Akt zu taufen. Das Fest findet mit Champagner und Büfett auf dem Achterdeck statt. Ein schöner Tag mit viel Sonnenschein geht zu Ende. Die See kräuselt sich leicht und 10 Minuten später segeln wir unter Vollzeug. Pünktlich zum Abendbrot tauchen die ersehnten Delphine auf. Die Schule von 10 bis 20 Säugern spielt einige Minuten ums Schiff und verschwindet wieder. Von diesem Augenblick an werden wir laufend von diesen eleganten Tieren begleitet. Wieder ist es sehr kalt geworden und das Teakdeck dunkel von der hohe Luftfeuchtigkeit. Mit halbem Wind rauscht die frisch getaufte Inspiration dem nächsten Wegpunkt entgegen. In Hochdruckgebieten scheint es häufiger Flautenlöcher zu geben, von diesen haben wir wieder mal eines gefunden. Zum Glück verbraucht der 48 PS Diesel nur sehr wenig. Mit der gebunkerten Menge könnten wir bis Portugal motoren. Andrea lässt mich diese Nacht ausschlafen. Bei Fahrt unter Maschine ist der Schlaf aber nicht besonders tief und ich werde häufig wach. Mein Schatz hat natürlich wieder eiskalte Füße auf Ihrer Wache bekommen. Sie ist hundemüde und kriecht mit Wärmflasche unter die kuschelige Decke im Salon. Ich beschließe, sie nicht vor Nachmittag zu wecken. Wir unterhalten uns über den nächsten Landgang und visieren Bayona in Spanien an. In dieser Nacht dreht plötzlich der Wind auf Südwest und frischt auf bis zu 7 Windstärken. Gerefft gehen wir an die Kreuz und müssen den ganzen Tag in sehr hohen Wellen viel Wasser über Deck nehmen. Mit großer Schräglage machen wir 8 Knoten. So macht Segeln Spaß. Hinzu kommen Hunderte von Delphinen, die uns begleiten. Am 21. Juni um 16.55 Uhr ist Spanien in Sicht. Der Wind flaut zum Abend ab und die Fahrt bis Bayona geht mit Motor weiter. Leider fällt in der Nacht der Autopilot aus und abwechselndes Rudergehen für die nächsten 24 Stunden ist angesagt. Die Küste Spaniens liegt malerisch an Backbord. Es ist richtig warm, kaum zu glauben nach den letzten Monaten. Ich dusche im Cockpit und ziehe mir anschließend einen leichten Sonnenbrand zu. Aber nicht da, wo Ihr denkt.
> > Gegen 17 Uhr sind wir in der schönen Bucht von Bayona, werfen den Anker gratis vor der Marina, essen und dann schlafen, schlafen
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