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Amsterdam - Falmouth

Die Tage in Amsterdam sind zwar schön, aber allmählich ist der Drang des Weiterkommens größer, als immer wieder in die vielfältige Stadt zu gehen. In den letzten Tagen haben wir das Pärchen Gaby und Jörg kennengelernt, die ebenfalls dem Trans Ozean Verein angehören und eine Tour durch die Kanäle ins Mittelmeer vorhaben.
Es ist unser erster Kontakt zu anderen TO Mitgliedern. Bislang konnten wir nur lesen, dass es sich bei den Fahrtenseglern um eine große Familie handelt. Diese Bekanntschaft bestätigt sofort Gelesenes. Wir tauschen viele Informationen aus und verbringen gemütliche Abende. Einige Tage später gesellen sich noch Dirten und Rainer mit der zweijährigen Tochter Suna dazu. Ihr Zuhause, ein 13,50 m Holzschiff hat bereits eine Weltumsegelung hinter sich. Es trägt den Namen "Jenny von Westfalen" und ist 35 Jahre alt. Ein echter Klassiker, aber wirklich nur mit dem Nötigsten an Elektronik und Stromverbrauchern ausgestattet. Wir plaudern über die Pläne der nächsten Monate und stellen fest zumindest bis zur Karibik die gleiche Route zu haben. Sie wissen noch nicht genau, ob die Reise in der Karibik endet, oder ob der Globus umrundet wird.

Mittlerweile hat sich eine Menge Wäsche angesammelt, die wir mit der neu erstandenen 12Volt Waschmaschine waschen wollen. Wir sind noch ein wenig skeptisch, ob das Ergebnis der normalen Waschmaschine gleicht. Ich fülle heißes Wasser, Wäsche und Waschmittel ein und der Waschgang von 12 Minuten Dauer läuft an. Danach zweimal spülen und T-Shirts sind porentief rein. Wirklich ein empfehlenswerter Kauf, die Kunststofftrommel mit Motor für nur DM 280,00. Das Schiff sieht an diesem Tag aus wie ein Wäschebunker. Es treibt uns wieder einmal in die Stadt. Wir wollen ins Van Gogh Museum. Vorbei an vielen Grachten stehen wir vor dem Eingang und müssen bedauerlicherweise zur Kenntnis nehmen, dass es für diesen Tag ausverkauft ist. Also wieder zurück. Auf dem Weg liegt noch das Rembrandt Haus, das wir besuchen möchten. Es ist schon 16.30 Uhr und geschlossen wird um 17.00 Uhr. Wir landen im Rotlichtviertel. Viele Schaufenster, jede Menge geile Glotzer und Coffeeshops ohne Ende. Das Publikum besteht aber auch aus vielen normalen Touristen, die sich einfach mal orientieren möchten. Der Weg führt uns in das Erotikmuseum. Leider ist es mehr Porno als Erotikmuseum. Wir hatten uns auf jeden Fall etwas anspruchsvolleres vorgestellt. Der Abend gehört der geselligen TO Runde auf der "Jenny von Westfalen". Ich genieße das Leben auf dem Boot in vollen Zügen. Heute ist der 29.05 und endlich kündigt sich Wetter an, um den Englischen Kanal zu durchfahren. Rainer und Dirten wollen auch am nächsten Tag weiter. Inspiration wird aufgeklart und am Mittag des darauffolgenden Tages treten wir die dreistündige Motorfahrt nach Ilmuiden an. Vor der Seeschleuse müssen wir warten, haben dann aber das große Becken ganz für uns alleine. Der Schleusengang dauert nur wenige Minuten.
Danach noch ein paar hundert Meter und wir legen an der Tankstelle im Yachthafen an. Erst mal volltanken, ehe es weitergeht. Zwischenzeitig läuft auch die Jenny v.W. ein.
Wir treffen uns später am Strand von Ilmuiden und besprechen die hohen Hafengebühren. 31 Euro für zwei Leinen am Steg finde ich heftig. Um 21 Uhr gehen wir noch auf ein Bier zu den Vieren. Als Gast ist Dirtens Vater an Bord, der bis England mitsegelt. In gemütlicher Runde verbringen wir einen netten Abend. Der Wind weht heftig und das Auslaufen verschiebt sich auf den Nachmittag. Bei Sonne und 4 Windstärken gehen die Segel hoch, Kurs Hoek van Holland liegt an. Im Dämmerlicht passieren wir die Einfahrt Hoeks unter Motor. Der Wind hat leider abgeflaut. Im Fahrgebiet davor jagt ein Schiff das nächste und die Lücke um die Seestraße zu durchfahren muß abgepaßt werden.
Die Nacht wird anstrengend, aber Andrea meistert die Navigation als wäre es schon lange Ihr Tagesgeschäft. Das Verkehrstrennungsgebiet (ist eine Autobahn auf dem Wasser, auf der ähnliche Regeln gelten wie im Straßenverkehr) erreichen wir am nächsten Vormittag und sind eigentlich ein wenig enttäuscht, weil kaum Berufsschifffahrt unterwegs ist. Wir lasen vorher so viel darüber, was da los sein sollte und und und. Das Wetter ist sonnig. Mit 28 Knoten Rückenwind rauschen wir in den Englischen Kanal. Inspiration surft auf den mäßig hohen Wellen.
Im Teilstück zwischen Calais und Dover kreuzen sehr viele Fähren unseren Weg. Zum Glück nehmen sie Rücksicht auf die kleinen Sportboote. Die zweite Nacht auf See bricht herein. Wir entschließen uns am Rande des Trennungsgebietes zu bleiben, weil zur Englischen Küste viele Fischer Ihre Netze ausgelegt haben. Die Wache an Deck läuft abwechselnd, spüren aber verstärkt die einsetzende Müdigkeit. Wir sprechen über Portsmouth, das Ziel des nächsten Tages. Die Freude auf den Hafen ist aufgrund der Belastung groß. Ich gehe um 1.00 Uhr in die Koje und Andrea gönnt mir Schlaf bis um 4.00 Uhr. So drei Stunden am Stück sind sehr erholsam und ich fühle mich wesentlich besser. Dann geht meine Süße in die noch warme Koje. So geht es im Wechsel weiter.
Und wieder kein Wind zum Segeln.

Um 18.00 Uhr stehen wir in der Einfahrt von Portsmouth. Bunker erinnern mich an Adolfs Denkmäler. Die Briten bauten auch nicht schöner. Der Yachtclub "The Hasler" ist an Backbord. Über Funk erkundigen wir uns nach den Preisen. 30 Pounds dröhnt aus dem Lautsprecher. Ich bedanke mich höflich als wir wieder aus dem Hafen fahren.
Ein Stück weiter den Fluß hinauf sehen wir ein Feld mit einigen freien Moorings. Nach kurzer Info durch einen anderen Segler machen wir einfach an einer dieser teilweise privaten Tonnen fest und hoffen, dass wir heute ungestört bleiben. Schnell noch etwas essen und dann sofort in die Koje.
Zufrieden mit unserer Leistung schlafen wir schnell ein. Ein Tag gammeln folgt zur Erholung. Da wir das Langstreckensegeln nicht gewohnt sind, liegt während der Fahrt eine enorme Anspannung auf uns. Hinzu kommt das angeblich schwierigste Revier der
Welt mit den starken Gezeitenströmen und viel Verkehr. Bislang hat aber alles gut geklappt und wir sind guter Dinge für die nächste Etappe. Beim Durchsuchen der Seekarten müssen wir feststellen, das die Karte für die kommenden 80 Meilen fehlt. Wir testen unser Iridium mit einem Anruf bei Transas, der uns anschließend eine SMS mit der Codierung für die elektronische Karte schickt. Die CD in den Rechner, Code eingeben und die Karte wird geladen. Es ist also nicht so tragisch wenn mal ein Stück Papier fehlt. Ein Anruf und drei Minuten später "da wird Sie geholfen".
Die Harmonie zwischen Andrea und mir paßt. Unsere Beziehung ist trotz der Anspannungen unbelastet. Wir stellen fest, wie wir immer stärker zusammenwachsen und das schon nach so wenigen Meilen auf den großen Weltmeeren. Der Solent mit der Isle of Wight ist das Seglermekka der Engländer. Hunderte von Segelbooten liegen in Flußmündungen und Häfen. Es sind nur wenige Motoryachten darunter.

Wir verlassen die Mooringboje mit ablaufendem Wasser um 6.30 Uhr. Der Strom mit fast zwei Knoten schiebt uns bei Regen schnell in die Ausfahrt des Solents. Wenig Wind verspricht einen aufregenden Tag unter Motor. Zum Glück läßt der Regen nach und die Sonne zeigt sich. Der Autopilot verrichtet seine Arbeit, während wir im Cockpit relaxen. Das angedachte Ziel Dartsmouth ist gecancelt, denn wir wollen das Wetter ausnutzen und in den Absprunghafen für die Biscayaüberquerung kommen. Also wieder eine Nacht auf See. Andrea legt sich bereits vor Sonnenuntergang hin und versucht zu schlafen. Mir ist nach lauter Musik und so bestücke ich den Wechsler mit einigen CD`s.
Die Musik ertönt in gutem Sound aus den Außenlautsprechern in der Pflicht (Cockpit). Der Resonanzkörper hinter den Boxen ist groß und die Basswiedergabe entsprechend.

Am Horizont schiebt sich die Sonne unter der schwarzen, bedrückenden Wolkendecke hervor. Das Wasser ist ungewöhnlich glatt, durchzogen von goldglänzenden Schlieren der weit entfernten Bergkette am Horizont, die als schwarze Kontur zu sehen ist. Ein Fischkutter schiebt sich aus dem Dunkel gemächlich vor die Sonne. Inspiration von den Gypsy Kings begleitet das wahnsinnige Lichtspiel. Ich sitze hinter dem Ruder genau zwischen beiden Klangquellen und genieße den Augenblick. Ich habe zuvor noch keinen imposanteren Sonnenuntergang beobachten können. Alles wirkt so friedlich und bedrohend zugleich. Das Zupfen der Gitarre klingt fast wie Lifemusik. Allmählich verwandelt sich das Goldgelb in Rotviolett und der Fischkutter verschwindet wieder im Dunkel. Die Schlieren im Wasser werden durch unsere Bugwelle in unruhige Lichtspiele verwandelt. Allmählich schiebt sich die Sonne hinter die Bergkette ist nur noch halb zu sehen. Wenige Minuten vergehen bis das Bild in einheitlich dunkelroten Tönen verwischt. . Es ist ein Moment, da wird mir ganz warm ums Herz. Als ich Andrea für dieses Lichtspiel weckte, zog Sie es vor in der Koje zu bleiben. Ich schoß einige Fotos, um Ihr später das verpaßte Spektakel zu zeigen. Die Nacht wurde schwärzer und unsere Positionslichter warfen kleine Lichtflecken auf das Wasser und Teile vom Deck. In der Heckwelle leuchten Phosphorteilchen auf. Es sieht aus wie im Märchen, wo der Goldschweif hinter dem Engel am Himmel stehen bleibt. Der Wetterbericht spuckt an diesem Abend noch eine Starkwindwarnung für die Nacht und den nächsten Tag aus. Angekündigter Wind kam zum Glück nicht in der Nacht. Der neue Tag begann mit Sonnenschein und Frühstück im Freien. Schwache Winde gaben mir die Gelegenheit, endlich die Windfahnensteuerung zu testen. Nur wenige Handgriffe sind notwendig, bis das Boot von dem edlen Niroteil am Heck gelenkt wird. Und der Clou kommt jetzt - dieser manuelle Autopilot, der den Kurs zum Wind hält braucht keinen Diesel und keinen Strom. Es sind noch ca. 5 Meilen bis Falmouth und die markanten Hügel in der Bergkette verraten die Einfahrt. Der Wind frischt auf und hat in wenigen Minuten über 30 Knoten Geschwindigkeit erreicht. Stark gerefft fahren wir mit viel Schräglage auf den letzten Meilen dem Ziel entgegen. Die Wellen werden immer höher und viel Wasser kommt über. So sind die letzten Meter vor der Einfahrt in den Naturhafen noch recht lang geworden.
Die Nacht hängen wir an der Boje und beschließen das Dinghi erst Morgen aufzupumpen. Es ist immer wieder schön, sich nach einem Törn an einem sicheren Platz zu wissen und in Ruhe schlafen zu können. Segeln ist die langsamste und anstrengendste Art zu reisen - gibt es was Schöneres?

Falmouth ist ein nettes kleines, typisch Englisches Städtchen. Mit kleinen schmalen Straßen, vielen sommersprossigen, rothaarigen Engländern, Pubs und Souvenirläden. Internet gibt es in der Library. Sehr auffällig ist die Höflichkeit der Briten, die uns überall begegnet. Während des ersten Rundganges hält Andrea Ausschau nach einem Friseur, denn sie ist es Leid mit dem langen Haar. Ich freue mich über Ihren Entschluß.

Für die Boje müssen wir 15 Pounds bezahlen, was umgerechnet ca. DM 50,00 sind. Daraufhin beschließen wir Inspiration vor Anker zu legen. Auch Ankern ist bei den Briten nicht umsonst, der Spaß macht 7,50 Pounds incl. Duschen. Der Abend verläuft mit Lager und Guinness im Pub neben dem Dinghi-Anleger.

Heute sind die Briten völlig aus dem Häuschen, weil die Fußballer 1:0 gegen Argentinien gewonnen haben, wird gefeiert wie der Sieg im Endspiel. Laut grölt es aus den Pubs. Leute mit Fahnen hüpfen über die Straßen.

Andreas Friseurtermin war (s.Foto) erfolgreich.

Das nächste Sturmtief geht über uns hinweg. Danach wollen wir den Sprung nach Spanien wagen. Die Sehnsucht nach Sonne wird immer größer.


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